Am Anfang

Außergewöhnlich erzählte und meisterhaft ins Bild gesetzte Schöpfungsgeschichte. (ab 8) (JD) Der durch den Finger Gottes beseelte Mensch ist ein klassisches, kunsthistorisches Schöpfungsmotiv. Der Gott dieses großformatigen Bilderbuches jedoch scheint seine Geschöpfe förmlich aus dem Finger zu schütteln: Rund um das ein wenig verhalten staunende, erzählende Ich beginnen Affenjunges und Ziegenbock zu wimmeln. "Ich glaube, ich habe einen Tag gebraucht, bis ich alles gesehen habe, und dann hatte ich immer noch nicht alles gesehen." Überhaupt ist diese Geschichte vom Anfang für das Ich schwer zu begreifen - beginnt sie doch mit einer ungeheuren Herausforderung an die menschliche Vorstellungskraft: "Am Anfang war das Nichts. Das kannst Du dir schwer vorstellen. Du musst alles, was es jetzt gibt, weglassen. (...) Auch Deine Mutter." Das in den göttliche Plan bereits integrierte Du (und gleichzeitig erzählende Ich) wird in dieser außergewöhnlichen Schöpfungsgeschichte figural herausgestellt: Ein großväterlich-verschroben ins Bild gesetzter Gott kommuniziert mit einem kleinen Kerlchen mit Hut, das auf seinem von Gott sehr genau positionierten Sesselchen sitzt und von Beginn an als irritierter Zweifler auftritt. Bis Gott ihm (und hier nimmt der meisterhafte Wolf Erlbruch, der seine Figuren vor großflächig ausgespartem Hintergrund collagiert, eine direkte Anleihe bei Boticellis Venus) die Krone der Schöpfung zuführt: die Frau. Und während es Gott gelingt, einen Tag lang nichts zu erschaffen und er sich ob dieser Neuheit zufrieden schlafen legt, versucht das Ich seiner Frau erneut zu schildern, wie das war, am Anfang, als das Nichts schon da war. - Sehr zu empfehlen für alle, die sich auf künstlerisch-intellektuell höchstem Niveau der Schöpfungsgeschichte neu stellen wollen. *bn* Heidi Lexe http://www.biblio.at