Frau Thomas Mann

Quelle: SCHRIFT/zeichen; Autor: Markus Kreuzwieser; "So lange Menschen meiner gedenken, wird ihrer gedacht sein", formulierte Thomas Mann 1953 anlässlich des siebzigsten Geburtstages seiner Frau Katia Mann, geborene Pringsheim. Diese artige Verbeugung eines wohlerzogenen Ehemannes hat sich, wirft man einen Blick in die stetig wachsende biographische Forschungsarbeit zu Thomas Mann, durchaus bestätigt. Denn nicht nur dem "Zauberer" selber, sondern auch seiner Frau Katia und den sechs Kindern wurde und wird gelehrt und detailverliebt nachgespürt. Ehe- und Familiengeschichten des Nobelpreisträgers und "Bürgers auf Abwegen" ("Tonio Kröger") finden offenbar ihr Publikum - nicht erst seit Heinrich Breloers Fernseh-Dreiteiler "Die Manns". Nun steht Katia Mann (1883-1980) selber im Zentrum von zwei neueren Biographien; hier interessiert die Studie des Gelehrten-Ehepaars Walter und Inge Jens, beide ausgewiesene Kenner Thomas Manns. In ihrem diskreten, von Sympathie getragenem Buch, das auf einer vierjährigen Recherchearbeit in den verschiedensten Archiven und auf Katias umfangreichen Korrespondenzen ruht, entwickeln sie das facettenreiche Bild von "Frau Thomas Mann" (Katias Briefkopf), das auch literaturwissenschaftlichen Ansprüchen standhält. Es wird so ein Frauen-Leben entfaltet, das ganz im Zeichen und Dienste des schwierigen Gatten steht. Die pragmatisch-kluge Katia war nicht nur einfühlsame "Zuhörerin", sondern auch die Managerin des Unternehmens Thomas Mann, war Privatsekretärin, Chauffeuse, "Wirtschaftshaupt" und Finanzverwalterin. Es wird anhand unzähliger Beispiele und bezeichnender Anekdoten deutlich, dass Leben und Arbeit des Dichters zutiefst von der Professoren-Tochter aus jüdisch-assimiliertem Multi-Millionär-Hause, die in ihrer Ehe sechs Kinder gebar, im Wortsinn abhängig waren. "Wie sie mit unerfüllten eigenen Sehnsüchten zu Rande gekommen sein mag, was sie das alles gekostet hat, davon weiß dieses Biografenpaar nichts", merkt Sigrid Löffler zum Erscheinen der Hard-Cover-Ausgabe zurecht an. Walter und Inge Jens spekulieren nicht, sondern halten sich strikt an Quellen: "Diese Fragen müssen Fragen bleiben", heißt es, oder: "Von Katia gibt es keine Zeugnisse ihrer Seelenlage". Ob dies "Kapitulationsformeln" (Löffler) sind oder Ausdruck wissenschaftlicher Redlichkeit, haben die Leserinnen und Leser zu entscheiden.